Hirnforschung

Was ist der Unterschied zwischen Schönheit und Attraktivität?

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Gábor Paál
Gábor Paál

Die beiden Begriffe "Schönheit" und "Attraktivität" werden tatsächlich oft durcheinandergebracht, Das passiert vor allem, wenn man versucht zu erklären, dass vieles von dem, was wir schön finden – vor allem Menschen, Gesichter – evolutionsbedingt sei.

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Attraktivität hat mit Symmetrie zu tun, die Entscheidung fällt unbewusst

Forschungen haben schon lange gezeigt, dass Menschen symmetrische Gesichter, aber auch symmetrische Körper attraktiver finden als asymmetrische, gerade bei der Partnerwahl. Das wird damit erklärt, dass die Symmetrie der Körper ein Indikator für Gesundheit ist. Demnach finden wir von Natur aus symmetrische Körper attraktiver als andere. Denn die Chance, dass wir mit einem symmetrisch gebauten Partner gesunde Nachkommen zeugen, ist größer. Das ist Attraktivität.

Schönheitsbegriff ist umfassender

Viele Dinge, die wir schön finden, haben aber mit Partnerwahl und Evolution nichts tun – ob es nun um Musik geht, Kunst oder Architektur. Das ist der erste Unterschied: Schönheit ist viel umfassender.

Darüber hinaus gibt es noch einen fundamentalen Unterschied. Wenn wir etwas schön oder nicht schön finden, ist das immer ein bewusstes Urteil. Wir stellen es fest. Attraktivität dagegen steht dafür, wie wir unbewusst auf etwas reagieren. Attraktiv heißt ja vor allem anziehend. Wovon wir uns angezogen fühlen, hat viel mit Evolution zu tun.

So wie die Wespe sich vom Zwetschgenkuchen angezogen fühlt, springen Mensch auf bestimmte Signalreize bei der Partnerwahl an, bestimmte Körperproportionen oder Gerüche. Beim Menschen springt dann auch das Lust- oder Belohnungszentrum im Gehirn an. Das ist das Hirnareal, das auch aktiv ist, wenn wir eine Tafel Schokolade vor uns sehen oder Sex haben. Dieses Belohnungszentrum – das ist vor allem der Nucleus Accumbens – sitzt ziemlich in der Mitte des Gehirns und gehört zu den evolutionär eher älteren Hirnregionen.

Schönheitsurteil wird bewusst gefällt

Wenn wir dagegen Gesichter oder Musik beurteilen und sagen sollen, ob das schön ist oder nicht, ist eine ganz andere Hirnregion aktiv: die in der Großhirnrinde, im orbitofrontalen Cortex. Die Großhirnrinde ist evolutionär jünger. Dieser orbitofrontale Cortex ist bei Prozessen aktiv, in denen wir bewusst etwas entscheiden.

Das zeichnet Schönheitsempfinden aus: Wir lassen etwas auf uns wirken und stellen bewusst fest, ob es uns gefällt oder nicht. Natürlich kann es sein, dass wir uns dabei auch von der Attraktivität leiten lassen. Es kann aber auch sein – um bei dem Beispiel zu bleiben – dass wir ein Gesicht zwar auf den ersten Blick attraktiv, aber trotzdem nicht schön finden, weil es vielleicht zu glatt erscheint, zu uninteressant, zu unnatürlich oder was auch immer.

Dazu gibt es interessante Experimente. Testpersonen – das waren alles heterosexuelle Männer – wurden Bilder von Gesichtern gezeigt. Die Bilder zeigten sowohl Frauen- als auch Männergesichter. Die Männer sollten zum einen beurteilen, wie schön sie die Gesichter finden. Gleichzeitig hat man gemessen, wie lange sie die Bilder jeweils anguckten. Und es wurde die Aktivität im Belohnungssystem beobachtet. Das Ergebnis war interessant: Bei der Frage nach der Schönheit waren die Männer fair. Sie fanden sowohl männliche als auch weibliche Gesichter schön oder nicht schön. Aber nur die weiblichen Gesichter haben sie länger angeschaut und auch nur bei denen war das Belohnungssystem aktiv. Messbar attraktiv waren für die heterosexuellen Männer bei diesem Versuch also nur weibliche Gesichter, schön dagegen konnten Gesichter beider Geschlechter sein.

Attraktivität und Schönheit können also miteinander zusammenhängen. Aber Schönheit im Sinne von ästhetischem Erleben ist etwas grundlegend anderes.

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